Rechtsprechung wg. fahrlässiger Körperverletzung

Hallo Tauchergemeinde,

anbei ein zwar nicht mehr ganz taufrischer, aber dennoch interessanter Beitrag in der Süddeutschen Zeitung. Hier geht es um einen tödlichen Tauchunfall am Walchensee aus dem Jahre 2016.

Das Thema ist für alle Taucher wichtig, da hier erklärt wird was passieren kann, wenn es zu einem tödlichen Unfall mit dem Buddy kommt. Da wir erst kürzlich wieder über solche „vermeidbaren“ diskutiert haben, viele die rechtlichen Konsequenzen beim Tauchen ausblenden, macht es durchaus Sinn, sich auch mal die rechtlichen Konsequenzen vor Augen zu führen.

Hier der Link: Du lässt niemanden unten

Hi Roby,

Ehrlich gesagt finde ich das Beispiel ziemlich unpassend um sich die rechtlichen Gefahren des Tauchsports vor Augen zu führen.
Erstens ist das Szenario relativ extrem (Tauchlehrer taucht mit „Neuling“; neues, kaltes, trübes Gewässer; schlechte bzw. unpassende Ausrüstung usw).
Zweitens, und das ist leider das entscheidende, werden die genauen Umstände (was wirkt strafmildernd oder verschärfend) nicht erörtert, stattdessen der plakative Satz: „Du lässt niemanden unten“ zitiert.
(Man könnte an dieser Stelle auch über die Seriösität der Zeitung diskutieren, wäre aber kaum zielführend)

Ich habe versucht die vollständige Urteilsbegründung zu finden, diese wurde jedoch vom Amtsgericht Wolfratshausen nicht veröffentlicht, genauso wenig wie das Aktenzeichen der Verhandlung in den Zeitungsartikeln angegeben wird. Der einzige Weg an besagte Begründung zu kommen ist eine Anfrage ans Amtsgericht (und die Erstattung eines Unkostenbeitrages), was mir den Aufwand nicht wert ist.

Daher bleiben nur Spekulationen über die tatsächliche Beurteilung des Strafmaßes, war es das Ausbildungsgefälle zwischen TL und Taucher ? Die Ausrüstung? Die mangelnde Kontrolle? Was ist einem erfahreneren Buddy zuzumuten? Was zählen eigentlich erfolgte Brevetierungen (der Verunfallte war ja angeblich für DEEP brevetiert)? Wie ist der Abbruch des Notaufstieges durch den TL zu bewerten? Inwiefern wird das Argument des TLs mit Panik gewichtet?

Ich könnte noch ein bisschen weitermachen, ich hoffe aber es wird klar warum ich das Beispiel für schlecht im rechtlichen Sinne halte.
Es ist leider der traurige Beweis (und dafür ein sehr gutes Beispiel) das Fehlerketten eigentlich leicht zu durchbrechen sind und es meist banale Dinge (Buddycheck, Tauchgangsplanung, Bleimenge,…) sind, die nicht getan werden.

Hoffend, dass ihr unfallfrei bleibt
Tobi

Hey Tobi!

Danke für Deine Gedanken! Ich bin ganz bei Dir. Jedes Unglück hat seine eigenen Besonderheiten. Jeder Fall seine eigene Note.

Und doch wird vermittelt und man bekommt den Eindruck, das ewig (alte?) Platitüden bemüht werden.

Beispiel bin mir, noch nicht so lange her:
Zwei Kunden wollen mittauchen gehen. Ich kenne diese nicht. Also stelle ich ein paar Fragen, will das Logbuch sehen. Nach einigen Rücksprachen folgt das Einer mit darf, der Andere nicht. Von beiden bekam ich eine positive Rückmeldung, und auch die Erkenntnis, das nicht überall so gehandelt wird.

Folglich stellte ich mir die Frage, wie gehst Du verantwortungsvoll mit anspruchsvollen Tauchkursen und nicht bekannten Tauchkursen um?

Wie bisher auch… vor solchen Kursen einen gemeinsamen Check-TG machen und schauen, ob benötigte Basics und Skills da sind. Auch das scheint nicht immer der Fall zu sein.

Kurz: Bereits ab dem Rescue Diver sollte ein TL gelernt haben, vorbeugend zu handeln. Natürlich ist eine Fehlerkette nur sehr schwer aufzuhalten, weil diese sich meist unvermittelt und zudem als Kleinigkeiten“ darstellen. Und schnell stellt sich eine Überforderung ein. Hier muss und soll kompromisslos gehandelt werden.

Hmm, den Artikel kenn ich. Ja wieder die typische mittelmäßig seriöse Berichterstattung.
Da aufgrund der ja doch massiven Beteiligung der tief tauchenden Fraktion an unseren beiden nahegelegenen See, Starnberger- und Walchensee die letzten 15 Jahre ja eine ganze Reihe tödlicher Unfälle passiert ist, war hier am letzten Sommerfest meiner Tauchbasis hier (Mischgastauchen Geretsried) ein Vortrag des Gutachters, der bei der Aufklärung der meisten Fälle beteiligt war über eine Auswahl seiner Top 4 Fälle. Der vorliegende war leider (noch) nicht dabei. Vielleicht kommt sowas beim kommenden Sommerfest wieder.
Da waren Sachen dabei, das glaubt man kaum und haben mich eher zu der Annahme gebracht, dass der Tauchsport ziemlich sicher ist, wenn man seine Grenzen kennt und es halbwegs im Griff hat.

Hey Joe,

kannst Du was zu den Top4 zumindest etwas berichten? Was berichtet der Profi? Wo liegen die Fehler meist?

Danke vorab :smiley:

Ich hatte Anfangs mit einem anderen Artikel gerechnet. Ein schwieriges Thema ist es trotzdem… Auf der einen Seite sollte man bei dem Ausbildungsstand wissen wann man den Tauchgang gar nicht erst antritt. Auf der anderen sollte man, auf dem Weg auf andere losgelassen zu werden, gelernt haben anders zu reagieren, gerade wenn die Luft dünn wird.

Meine Vermutung ist aber, dass es überhaupt zu einer Strafe kam, weil der Tauchgang gewerblich war. Für einen Toten ist die Strafe alles andere als hoch, auch wenn die größte Strafe, aus meiner Sicht, das Erlebnis selbst ist.

Ich kenne sowas ähnliches vom OEGTH-Kongress 2016 in Österreich, der Dozent dort war Gutachter für Tauchunfälle im Raum D,A,CH.

Prägnantester Fall, der mir im Kopf blieb, war ein Solotaucher mit defektem Atemregler (ich geb es mal so gut ich kann ausm Kopf wieder, is leider schon etwas her):

Ausstattung: Doppel-12 mit höchstwahrscheinlich 21/0, 2x erste Stufen, 2x zweite Stufen, Trocki, den üblichen Rest halt.

Ausbildung: Weiß ich leider nicht mehr…

Rekonstruktion nachträglich: Taucher taucht ab, die zweite Stufe der Longhose (Dir-Konfig) im Mund hat eine „schleichende“ dauerhafte Leckage (eine Auswertung der Regler im Labor ergab ein AMV von ca 200 Litern pro Minute!!!). Aus unbekannten Gründen setzt der Taucher seinen Abstieg auf Ca 40M fort, dort kam es durch die hohe Belastung der ersten Stufe zu einem Vereiser. Taucher beginnt einen unkontrollierten Notaufstieg, fängt diesen laut Tauchcomputer in 5 Meter Wassertiefe ab und sinkt danach wieder auf den Grund, wird dort später tot geborgen.

Vermutungen: Taucher hat den fehlerhaften Atemregler nicht erkannt (war laut Labor bereits zu Tauchbeginn nachweislich beschädigt). Taucher hat in 40 Metern Tiefe beim Vereiser Panik bekommen und hat einen Notaufstieg eingeleitet. Taucher hat im Flachen Angst vor möglichen Dekounfällen bekommen, den Aufstieg selbst verlangsamt (keinen Schaden am Wing oder Trocki), dabei überkompensiert und dadurch wieder einen Abstieg eingeleitet. Durch den extrem hohen Luftverbrauch war keine Luft mehr für einen erneuten Aufstieg vorhanden ( durch Simulation mit den entsprechenden Werten ergab sich dieses Szenario).
Beim Auffinden hatte er voll aufgedrehte Ventile sowie ein leeres Doppelpaket.

→ Tod durch Ertrinken, Autopsie ergab keine weiteren Anhaltspunkte für Erkrankungen o.ä…

Zusammenfassung: defekte Ausrüstung, zweifelhafte Tauchgangsplanung (Solo, 40 Meter, keine vollständige Redundanz wie Stage, Luft als Atemgas), vllt mangelhafte Ausbildung (Ventrildrill nicht ausgeführt, Panik).

Und eine so große Angst vor einem Dekounfall sodass er willentlich den Aufstieg gestoppt hat! Etwas das übrigens bei vielen Tauchunfällen (statistische Auswertung der Tauchcomputerprofile) zu beobachten ist. Es finden sich in vielen Profilen Aufstiegsversuche oder eben „fast“ erfolgreiche Aufstiege. Danach kommt es zum erneuten, fatalen Abstieg. Vllt ein Punkt auf den man hinweisen sollte: Dekounfälle sind behandelbar!!

Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Tauchunfälle in den ersten 5-10 Minuten nach Beginn passieren (hier schlägt die Trias aus Stress, Abtauchen, hohem Flaschendruck zu) und dadurch sowieso kaum Dekounfälle bei einem Notaufstieg zu erwarten sind (Barotraumen mal ausgenommen).

Hoffe mal das beantwortet deine Frage etwas Roby^^
Ich kuck mal ob ich die Notizen oder Folien ausgraben kann
Gruß
Tobi

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@Jenner

Das ist halt leider das Problem: Weswegen kam es zu einer Verurteilung?

Ich werfe nämlich einfach mal folgendes in den Raum (ohne rechtlich sonderlich bewandert zu sein): ein Tauchlehrer hat ähnlich wie ein Bergführer (und hier gibt es entsprechende Urteile) eine Garantenstellung seinem Schützling gegenüber ( lässt sich durch das Ausbildungs-/Erfahrungsgefälle sowie die gemeinschaftliche gefahrengeneigte Tätigkeit begründen) und müsste dementsprechend mit Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge bestraft werden.

Kurze Erläuterung: Wer in der Garantenstellung steht wird beim Unterlassen von wichtigen Maßnahmen so bestraft als hätte er die Tat dem Schützling selbst zugefügt.

Beispiel: Arzt behandelt Patienten nicht. → Pat. nimmt bleibenden Schaden → Arzt hat dem Patienten eine schwere Körperverletzung zugefügt.

Das Ganze ist natürlich rechtlich stark gekürzt und vereinfacht dargestellt (ich kenne es auch nur aufgrund diverser Vorträge sowie durch meine Tätigkeit im Rettungsdienst, da bin ich auch Garant).

Dieser Denkansatz wurde auch von mehreren Rechtsanwälten (unter anderem auf dem GTÜM-Kongress 2017) so in den Raum geworfen.

Gruß
Tobi

Also ich kann mich jetzt nur noch ein einen Fall genauer erinnern, der Top-Fall in meinen Augen. Tauchspot, Allmannshausen.
Verkürzt: 3 Taucher mit Trockentauchausrüstung mit Buddyleine! Verbunden gehen auf 60m mit Pressluft. Irgendein Problem da (wenn überhaupt) oder nur Stress. Einer leitet den Notaufstieg ein, die andern beiden düsen mit nach oben. Dort angekommen, Anzeichen von Deko-Krankheit bei einem der Taucher. Durch den schnellen Aufstieg hatte der Anzug sich soweit aufgebläht, dass seine Hände aus den Handschuhen in die Ärmel gerutscht waren. Die andern beiden beschließen, ihn wieder zu versenken. Koppeln Trockinflator ab, gehen mit ihm zurück über die Wandkante und lassen Luft aus Jacket. Den folgenden rasanten Abstieg kann der betroffene Taucher nicht mehr aufhalten, weil er ja die Hände nicht mehr in den Handschuhen hat. Die haben sich glaub ich losgeschnitten und der ist alleine abgestürzt. Genaue Todesursache weiß ich nicht mehr, wahrscheinlich Ertrinken bedingt durch leere Flaschen oder Stickstoffnarkose.
Ich glaub das waren Rettungstaucher von der Wasserwacht.

Aja ein anderer Fall war:
Auch Allmannshausen. 2 Taucher mit einiger Erfahrung, aber schon länger nicht getaucht. Nur Mono-Flaschen und Trockentauchequipment. Wollen mit Pressluft auf 70! Meter. Taucher werden getrennt, einer bekommt ein Problem und wird später tot auf dem Grund gefunden. Vermutlich ertrinken nach Stickstoffnarkose.

Das sind Fälle, wo einem fast nix einfällt dazu. Jedenfalls hab ich mich danach viel sicherer gefühlt. Viell. Kann ich die Präsentation irgendwie bekommen, falls der mit der Veröffentlichung einverstanden ist.

Nachtrag:
Nein der Vortrag war ein Freundschaftsdienst für Mischgastauchen. Der ist nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Da komme ich nicht ran.
Am besten zum nächsten Sommerfest kommen :wink:.

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Top 1 der Top 4 ist immer Übermut.

Und der tut selten gut.

Der Gutachter war bestimmt Frank.

MfG.

Gehe ich auch davon aus - Frank G. :wink:

Ja ich glaub Frank hieß der. Son stämmiger Mittfuffzger mit grauen Stoppelhaaren. Glaub von der Bundeswehr kam der.
Naja vielleicht gibts beim nächsten Sommerfest mehr :smiley:.

Habs gegoogelt, Bild gesehen, ja es war Frank G. Der Leiter von Mischgastauchen hat einen guten Draht zu ihm.

Interessantes Thema und auf jeden Fall wichtig

Finde ich auch.